Sitzung: 20.09.2016 GHR/009/2016
Durch Art. 12 des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 2. November 2015
wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des
öffentlichen Rechts neu gefasst. Die Änderungen sind am 1. Januar 2016 in Kraft
getreten und wirken ab 1. Januar 2017.
Inhalt der Neuregelung
Die Neuregelung führt bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, und
damit auch bei den Gemeinden und kommunalen Zweckverbände (VG, Schulverbände,
Bauhofgemeinschaft), zu gravierenden Veränderungen bei der Besteuerung
von Lieferungen von Leistungen.
Bisher waren die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen
ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) umsatzsteuerpflichtig (u. a. die
Wasserversorgungsanlagen der Gemeinden). Dabei galt eine Umsatzgrenze von
30.678 € (für jeden BgA) für die Umsatzsteuerpflicht. Der gesamte Bereich der
Vermögensverwaltung, der hoheitliche Bereich und die Beistandsleistungen
(Leistungen einer Kommune für eine andere Kommune) waren nicht steuerbar.
Der neue § 2 b UStG, auf Grundlage
von Unionsrecht (Art. 13 Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL), bestimmt
nun, dass sämtliche privatrechtlichen Entgelte stets der Umsatzsteuer
unterliegen.
Im hoheitlichen Bereich gelten die juristischen Personen des
öffentlichen Rechts auch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung
als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zu diesem Thema in seiner neueren Rechtsprechung
bereits eine Reihe von Urteile ausgesprochen. Zum Beispiel wird die bisherige
30.678 €-Grenze nicht mehr anerkannt, die Leistungen im Rahmen der
Vermögensverwaltung sind steuerbar und die Beistandsleistungen werden nicht
mehr anerkannt. Für die Gemeinde Hohenroth würde dies konkret bedeuten, dass
sämtliche Umsätze ab dem 01.01.2017 mit Umsatzsteuer verrechnet werden müssen. Damit
soll aus steuerlicher Sicht eine Gleichstellung mit Betrieben der
Privatwirtschaft erreicht werden.
Der Gesetzgeber hat dazu eine Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG
vorgesehen, welche für die Gemeinde Hohenroth zur Anwendung kommen soll (s.
u.). Diese Regelung sieht vor, dass das „alte“ Recht bis 31.12.2020 weiter
angewendet wird. Ab 01.01.2021 müssen dann alle Umsätze nach den o. g.
Kriterien mit Umsatzsteuer verrechnet werden.
Die Umsetzung dieser steuerlichen Veränderungen ist für die Gemeinden und
Verbände mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden. Alle verbuchten
Einnahmen der Gemeinde Hohenroth sind nach ihrem Entstehungsgrund -
privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich - zu differenzieren und ggf. in der
Haushaltssystematik anzupassen. In einem weiteren Schritt sind alle Einnahmen
aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht zu bewerten. Diese Bewertung ist zu
dokumentieren um gegenüber dem Finanzamt die notwendigen Nachweise führen zu
können.
Das aufgezeigte Arbeitspaket wirkt auf die künftige personelle Besetzung des
Fachbereichs der Kämmerei sowohl während des Umstellungszeitraums als auch
anschließend, nach Einführung des neuen Rechts. Der Bereich Steuerrecht der
Kommunen und Verbände wird eine fachlich fundierte Personalergänzung erfordern.
Aufgrund der zum Teil nicht eindeutig beschriebenen Rechtsbegriffe in der
Neuregelung ist noch mit einer Reihe von Verwaltungsanweisungen,
Anwendungserlässe und Urteile in absehbarer Zeit zu rechnen. Das
Bundesministerium der Finanzen hat bereits ein Schreiben zu den Regelungen in §
2 b UStG angekündigt, das voraussichtlich im Herbst/Winter 2016 veröffentlicht
werden soll. Eine grundlegende Abweichung von der Absicht des Gesetzgebers zur
künftigen Umsatzbesteuerung von Kommunen ist nicht zu erwarten. Ob es noch
Sonderregelungen für Einzelfälle geben wird, hängt u. a. vom Einfluss der
kommunalen Spitzenverbände ab.
Gegenüber dem Finanzamt sind künftig sämtliche Umsätze zu erklären
(steuerbar und nicht steuerbar), damit eine Prüfung durch die Finanzverwaltung
möglich ist. Unvollständig abgegebene Umsatzsteuererklärungen erfüllen den
Tatbestand der Steuerhinterziehung.
Anwendung der Übergangsregelung des § 27 Abs. 22 UStG
Der § 2 b in der am 1. Januar 2016 geltenden Fassung ist auf Umsätze
anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2016 ausgeführt werden (§ 27 Abs. 22 Satz
2 UStG). Im Kalenderjahr 2016
gelten somit die bestehenden Regelungen kraft
Gesetzes weiter.
Nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG kann jede juristische Person des öffentlichen
Rechts, also auch die Gemeinde Hohenroth, dem Finanzamt gegenüber einmalig
erklären, dass sie die bisherigen Regelungen bis zum 31.12.2020 weiterhin anwendet (Optionserklärung). Die Optionserklärung kann nur für sämtliche
ausgeübte Tätigkeiten einheitlich abgegeben werden. Zuständig für die
Entscheidung über die Abgabe ist der gesetzliche Vertreter, also der
Gemeinderat. Abgabefrist für die Optionserklärung ist der 31. Dezember 2016
(nicht verlängerbare Ausschlussfrist).
Aufgrund der oben dargestellten gravierenden negativen Veränderungen für die
Besteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird seitens der
Kämmerei zur Abgabe der Optionserklärung geraten. Damit gelten die alten
Regelungen noch bis zum 31.12.2020 weiter. Die Optionserklärung wird
schriftlich gegenüber dem Finanzamt abgegeben. Eine besondere Form ist nicht
vorgeschrieben. Die Optionserklärung kann einmalig widerrufen werden (mit
Wirkung zum folgenden Kalenderjahr). Nach einem Widerruf ist die Abgabe einer
erneuten Optionserklärung ausgeschlossen.
Beschluss:
Der Gemeinderat Hohenroth beschließt auf Grundlage des § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG bis spätestens 31.12.2016 gegenüber dem zuständigen Finanzamt zu erklären, dass die Gemeinde Hohenroth den § 2 Absatz 3 UStG in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwendet (Optionserklärung).
Somit gelten für die Gemeinde Hohenroth noch bis zum 31.12.2020 die bisherigen Regelungen für die Umsatzbesteuerung weiter.
Die Verwaltung wird beauftragt, dem Finanzamt die
Inanspruchnahme des Optionsrechts schriftlich mitzuteilen. Alle
Leistungsentgelte der Gemeinde und die diesen zugrunde liegenden vertraglichen oder
sonstigen Regelungen sind auf ihre künftige umsatzsteuerliche Relevanz zu
überprüfen. Der im Rahmen der Umstellung ab 2017 ff. und nach Inkrafttreten der
Neuregelung anfallende Arbeitsaufwand wird zu einer personellen Ergänzung im
Fachbereich der Finanzverwaltung der VG führen.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: |
15 |
Mitgliederzahl: |
17 |
Nein-Stimmen: |
0 |
Anwesend: |
15 |